Warum wir manchmal unterschiedlicher Meinung sind

Also nicht generell, sondern als Entwickler. Vielleicht hätte ich auch sagen sollen „Warum Software-Entwicklung nicht Mathe ist“. Aber auch das wäre missverständlich. Es geht mir um folgendes:

Bekanntlich sehe ich Softwareentwicklung als das ständige Ausbalancieren von Prinzipien oder Daumenregeln. So gern es wir uns auch vielleicht wünschen würden, es gibt kein allgemeines Patentrezept für gute Software. Es gibt kein allgemeines Kochrezept, keinen Algorithmus o.ä. nach dem wir uns richten könnten und der uns ein gutes Ergebnis garantieren würde.

Zumal „gut“ auch wieder nur schwer fassbar ist. Einzelne Aspekte einer Software lassen sich messen. Manche ganz gut (Größe in LOC), manche mit Aufwand (z.B. Performance) andere nur mit Abstrichen (Kopplung, Usabiliy, Wartbarkeit, …). Wir sind also auf Heuristiken wie „Erfahrung“, „Bauchgefühl“ und eben „Meinung“ angewiesen. Natürlich kann man versuchen, alles irgendwie zu quantifizieren und auf Basis historischer Projektdaten eine Metrik für „Güte“ zu definieren. Man kann das tun. Inwieweit das zielführend ist, ist jedoch wieder eine andere Frage [1].

Wie gesagt: Softwareentwicklung ist das Ausbalancieren von Daumenregeln, man könnte auch „Kräften“ sagen. Diese Kräfte ziehen in verschiedene Richtungen und wir müssen ein Kräftegleichgewicht finden. Das Problem ist nur, dass wir nur sehr schwer sagen können, wie stark diese Kräfte nun sind.

Die folgenden Aussagen wird vermutlich kaum ein Entwickler ernsthaft anzweifeln:

  • Einfach ist besser als kompliziert (KISS)
  • Allgemeingültig/generisch ist besser als speziell
  • Goto ist böööse (goto statement considered harmful)
  • Globale variablen sind böööse (global variable considered harmful)
  • Starke Bindung, lose Kopplung

Die Frage ist nur: Wie stark sind diese „Kräfte“? Und hierbei gehen die Meinungen auseinander. Wenn Entwickler also unterschiedlicher Meinung sind, dann hängt das selten daran, dass bestimmte Effekte/Prinzipien/Kräfte/Daumenregeln generell angezweifelt werden. Vielmehr streitet man sich um die Bewertung derselben. Ist in diesem konkreten Fall Allgemeingültigkeit oder Einfachheit wichtiger? Lieber eine technisch kompliziertere Lösung nehmen, die mehr kann oder besser eine einfache, die ihre Einschränkungen hat? Lieber ausnahmsweise mal ne globale Variable nehmen und dadurch den Code etwas einfacher machen oder darauf verzichten und damit die Kopplung reduzieren?

Es ist also meist nicht so, dass einer recht hat und der andere unrecht. Oft kann man guten Gewissens beide Positionen vertreten. Das macht entsprechende Diskussionen natürlich nicht immer einfach, weil man nicht wie in Mathe sagen kann „Da ist der Fehler, du hast unrecht“. Das kann anstrengend sein. Dennoch sind solche Diskussionen wichtig, denn sie helfen, eine passende Lösung für die gegebene Problematik zu finden und außerdem lernt man auch sie eine ganze Menge.

[1] IMHO sind Metriken in gewissem Umfang schon sinnvoll. Inwieweit ist aber wieder eine Bewertungsfrage.

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